HAUGTUSSA feiert Premiere!
Ein Musiktheater nach der norwegischen Geschichte von Arne Garborg. Dem Stück zugrunde liegt die deutsche Erstübertragung des norwegischen Meisterwerks von Martje Vande Ginste und Juliane Hollerbach, die im Januar 2025 bei Edition Rugerup erscheint.
Die Premiere und eine weitere Vorstellung finden statt in der LOKHALLE in Freiburg:
Freitag, 15. November 2024, 19.00 Uhr
Samstag, 16. November 2024, 19.00 Uhr
Tickets bei Reservix und an der Abendkasse.
Lokhalle Freiburg - Aktionstheater Pan.Optikum
Paul-Ehrlich-Straße 5
79106 Freiburg im Breisgau
Haugtussa erzählt die fesselnde Geschichte von Veslemøy, einem Mädchen, das unter herausfordernden Bedingungen im Norwegen des späten 19. Jahrhunderts aufwächst. Die Bauerntochter geht liebevoll mit den Tieren auf dem Hof ihrer Mutter um, und genießt den Ruf, eine gute Geschichtenerzählerin zu sein. Die Sommermonate verbringt sie als Hirtin in den Hügeln Jærens. Dort erlebt sie mit ihrer Herde Tage voller Wärme, Blaubeeren und Lebensfreude. Aber manchmal ist sie den Naturkräften, die dort wüten, schutzlos ausgesetzt. Mit ihrer lebendigen Fantasie belebt sie die scheinbar öde Landschaft: sie kann die destruktiven Kräfte in sich selbst, in den anderen und in der Natur erkennen. Eines Tages erscheint die Seele ihrer jung verstorbenen Schwester Lisabet, die ihr die Gabe der Hellsichtigkeit reicht. Veslemøys übersinnliche Fähigkeiten ziehen die Aufmerksamkeit mystischer Naturwesen auf sich. Im Dorf wird sie von nun an spöttisch Haugtussa, das Hügeltroll-Mädchen, genannt.
Dann jedoch begegnet sie dem fröhlichen und netten Jungen Jon, dessen Herde sie in Hoch-Jæren übernimmt. Er glaubt an sie, bewundert ihre Sehergabe, und kennt ihren Spottnamen nicht. Bei ihm fühlt sie sich geborgen und getröstet. Sie verlieben sich. Aber ein mystisches, blaues Naturwesen, der Haugkall, versucht mit Hilfe seiner Schwester die Huldre Veslemøy in sein Reich im Blauberg zu locken. Wenn Jon eines Tages sein Versprechen nicht hält, steht dem Haugkall nichts mehr im Wege… oder doch?
Arne Garborg schildert in diesem Meisterwerk aus dem Jahre 1895 mit virtuosen Versen und mit feinem Einfühlungsvermögen das Schicksal dieser verletzlichen Heldin. Gleichzeitig hat er in diesem zeitlosen Epos den Freitod seines Vaters verarbeitet und mit Veslemøy einen Gegenentwurf für den, ‚der nicht gewann‘ (Prolog), geschaffen. Mit gleitendem Perspektivenwechsel, abwechslungsreichem Rhythmus, Musikalität und den schönsten Landschaftsschilderungen der norwegischen Literatur führt er uns tief in die Seele des jungen Mädchens hinein. Dabei bedient er sich auf virtuose Art und Weise einer Vielzahl sprachlicher, musikalischer und historisch literarischer Mittel.
Bisher wurden lediglich 8 der 71 Gedichte dank der genialen Komposition Haugtussa, Opus 67 von Edvard Grieg international bekannt.
Das Haugtussa Kollektiv hat das Buch nun erstmals ins Deutsche übertragen (die Übertragung erscheint im Januar bei der Edition Rugerup) und für die Bühne adaptiert. Die Geschichte von Veslemøy wird mit Spiel, Musik, Tanz, Fotografie und Film erzählt.
Atischeh Hannah Braun: Veslemøy, Ensemble, Produktion
Kristin Døvle: Landschaftsfotografie Jæren
Paul Eick: Lichttechnik und Projektion
Rafnar Orri Gunnarsson: Filmsequenzen Haugkall und Co.
Boris Abbe Haak: dramaturgische und technische Assistenz
Elsa Ida Haak: Kleine Maren, Ensemble
Karin Hageneder: Huldre, diverse Flöten, Ensemble
Juliane Hollerbach: Übersetzung, Erzählerin, Mutter, Lisabet, Hexe, Gumle, Ensemble, Choreografie und Kostüme
Konstanze Ihle: Kompositionen, Marimba, Vibrafon, Perkussion, musikalisches Konzept
Fabian Lüdicke: Bühnenbild
Philipp Nägele: Stimme der Haugkall
Angela Stummer-Stempkowski: Harfe, Ensemble
Moritz Tischer: Jon, Ensemble
Martje Vande Ginste: Übersetzung, musikalisches Konzept, Script, Regie, Ensemble
Rune Wietelmann: Regieassistenz, die Jungfer von Ås, Ensemble
Artikel Badische Zeitung
Was einen am Leben hält
Künstlerinnen aus Freiburg widmen sich dem Gedichtzyklus des Norwegers Arne Garborg
..."Å heller vil eg
med augo sjå,
enn dauv og blind
gjennom verda gå
og ikke det sanne skilja!"...
Haugtussa
..."O lieber will ich
mit Augen sehn,
als taub und blind
durch die Welt zu gehn
und das Wahre nicht zu erkennen!"...
Haugtussa ist das 1895 entstandene Meisterwerk von Arne Garborg. Es wird als eines der besten poetischen Werke in der norwegischen Literatur betrachtet. Nicht nur die berührende Geschichte der Protagonistin,
Veslemøy, sondern auch die feinfühlige Einsicht in die Psychologie und die menschliche Natur bilden in Kombination mit den atemberaubenden Landschaftsschilderungen das romantisch-literarische Universum des Buches. Die poetisch-musikalische Qualität des Werkes inspiriert bis heute Künstler:innen aller Sparten. So wie Ibsen war Arne Garborg ein Meister des skandinavischen Naturalismus. Viele seiner Romane waren Bestseller in Deutschland, und er war zu Lebzeiten einer der prominentesten und meist-besprochenen Schriftsteller der Jahrhundertwende.
Wir freuen uns sehr, dass das
Haugtussa Kollektiv eines der größten Schätze der norwegischen Literatur zum ersten Male, nach fast 130 Jahren, dem deutschsprachigen Publikum zugänglich machen wird.
Inger Undheim, Direktorin des Garborgsenter
In Kürze erscheint hier ein Videobericht über unsere Norwegenreise auf den Spuren Garborgs und Griegs.
Juni 2022
Im August 2023 ist das Album von Martje Vande Ginste und Jens Wollenschläger In weiter Ferne... als CD erschienen und bald wird man es auch streamen können. Neben Haugtussa, op. 67 von Edvard Grieg beinhaltet das Album den weniger bekannten, aber genauso faszinierenden Liedzyklus Syv Sanger, op. 6 von Johansen. Die Musik und die Gedichte nehmen die Zuhörerinnen und Zuhörer auf eine berührende Reise gen Norden mit, jedoch auch auf eine Zeitreise in das norwegische Mittelalter. Sie erinnern gleichermaßen an die eigene Kindheit und die ersten Liebesbegegnungen und Verletzungen der Jugend. Neben einem einleitenden Text des Musikologen Kristof Bouquet sind sämtliche norwegischen Gedichte, so wie die neuen Übersetzungen in dem CD-Heft enthalten. Sie stehen auf der website von Martje Vande Ginste zum Download auf Deutsch, Englisch und Niederländisch zur Verfügung.
Sommerregen, warmer Regen
tropft aus sanftem Schleier-Himmel,
besänftigt selig die sengende Luft,
befeuchtet lind den spröden Boden.
Tropft und rieselt gut und lange;
tränkt die Erde, sättigt den Frühling;
endet nach getaner Arbeit
mild und ruhig gegen Abend.
Und es öffnen sich und atmen
Blüte, Blatt und alles Leben,
Gras, Gestrüpp und frische Heide,
Gagelstrauch und welkes Dreiblatt.
Alles öffnet sich und atmet
und verströmt die warme Seele
weit in abertausend Düften,
tausend frischen, feinen Düften, –
die die Luft wie Balsam füllen.
Und ihr klarer Schleier hüllt sich
um die Erde, der gewebt ist
ganz aus Leben, Wärme, Liebe
wie der leichte Seidenschleier
um die runde, weiche Brautbrust.
Veslemøy treibt ihre Herde
still inmitten runder Hügel
nördlich um den schwarzen Bergsee.
Dessen Ufer sind umwuchert
dicht mit dunklem Moos und Flechten.
Wollgras wächst und Beerenwurzeln;
steil, gefährlich ist die Böschung,
denn da unten auf dem schwarzen,
tiefen, saugenden Morastgrund,
schläft ein langer, dicker Lindwurm.
Doch am Berg die Tiere grasen,
knabbern junge Heidetriebe;
Lämmchen tanzen rings im Kreise,
saugen Milch bei ihren Müttern.
Und der reine Sommerabend
legt sich sanft auf alle Matten,
und der helle warme Abend
alles hüllt in Dunst und Dämmrung –
bis das Strickzeug ihr entgleitet,
Veslemøy schweift selbstvergessen,
in gedankenlosem Denken,
schauend, träumend, ganz versunken;
sieht das Leben in der Landschaft,
sieht das Wache zwischen Steinen,
sieht auf wunderschönen Matten
eine Wunderherde grasen.
Sieht die blauberockte Huldre,
feinen Silberschmuck am Busen,
dort am Fuß des Hanges sitzen,
Salz für ihre Kühe streuen.
Sie erhebt sich, lockt die Tiere,
und ihr Haar umwallt die Schultern;
Sieh, die Herde kommt, umkreist sie,
und der Zug trabt Richtung Berge.
Kuh um Kuh und hintan trottet
groß der alte Bulle Dimmeld.
´S scheint wie eine Reihe Schatten
vor dem hellen Abendhimmel.
*
Ausgelöscht das Licht des Tages;
grau verblassen alle Wolken.
Die Welt liegt da in Traum und Klängen,
und ein Lied tönt in den Abend:
*
Lang genug warn ihr und ich
drin im dunklen Stalle;
zu der Alpe ziehn wir nun,
unterm Skareberge.
Kommt nur, kommt nur, Kühe mein!
Kühl ist es am Skare-Hang.
Kuh-Såta
Kuh-Såta
Grün wächst am Hang das Futter.
Kommt Kühe!
Kommt Tiere!
Kommt Dimmeld und Dros
und Randeliros
zur Nacht!
Unter Nordan-ås ist’s gut,
drin im Huldre-Garten.
Lang ist dort die bergende Nacht,
kurz die lichthellen Tage.
Und in den Bergen frisch und kalt
gibt’s Schutz vor Übel und Gewalt.
Wenn um Ås die Nebel steigen,
jeden Sonnenstrahl verjagen,
ziehen wir nach Belieben umher
und wir haben gute Tage.
Wolken und Nebel überm Hang, –
da ist der Huldre niemals bang.
Oft singt da zur kühlen Nacht
der Riese mir ein Ständchen,
verspricht mir seinen ganzen Berg,
wenn ich ihm reich mein Händchen.
Doch niemals froh ich werden kann,
mit diesem Riesen-Troll als Mann.
Die Huldre geht in Liebesschmerz,
muss in Sehnsucht brennen
für den Mann des hellen Tags,
den sie nie wird kennen.
Gerne gäb ich Seel und Leib,
um zu sein sein treues Weib.
Die Sonne steigt, die Sonne sinkt;
der Winter kommt und endet;
ohne Brautbett, ohne Freund
ziellos streift die Huldre.
Bitter brennt der Liebesschmerz,
kein heller Mann gewinnt ihr Herz.
Kuh- Såta!
Kuh- Såta!
Grün wächst am Hang das Futter.
Kommt Kühe!
Kommt Tiere!
Kommt, zieht mit mir
auf dem ziellosen Weg
zur Nacht!
aus: HAUGTUSSA von Arne Garborg
Übertragen von
Martje Vande Ginste und
Juliane Hollerbach