Was als eine 'Konzert-mit-Erzähler-Idee' von Martje Vande Ginste, Jens Wollenschläger und Atischeh Hannah Braun anfing, ist in den letzten Jahren rasant gewachsen. Mittlerweile steht das internationale Haugtussa Kollektiv in den Startlöchern für die Produktion einer Musikerzählung, eines Bühnenstücks und einer literarischen Publikation. Neu erschienen ist Martje Vande Ginstes und Jens Wollenschlägers Haugtussa Album In Weiter Ferne…
Das Haugtussa Kollektiv besteht seit Frühjahr 2020 und hat sich aus der gemeinsamen Faszination für einen Meilenstein der norwegischen Literatur heraus formiert.
In Entstehung ist ein Bühnenstück um das Gedichtepos Haugtussa des norwegischen Schriftstellers Arne Garborg, dessen Werk aus übersetzungstechnischen Gründen bisher ausserhalb Norwegens wenig bekannt ist.
Das Meisterwerk
Haugtussa
wird u.a. dank der modernisierten Sprachausgaben von Sigbjørn Reime und der vielen künstlerischen Neuinterpretationen, in Norwegen von Jung und Alt gelesen und geschätzt.
Martje Vande Ginste und Juliane Hollerbach haben sich der schwierigen Aufgabe der Übertragung des Gedichtepos ins Deutsche gestellt. Neben einer literarischen Publikation planen sie eine Musikerzählung auch in Form eines Audiobuchs, in dem die einzigartigen Landschaftsschilderungen Garborgs und die faszinierende
Coming-of-Age-Geschichte
des Mädchens
Veslemøy
klanglich zum Leben erweckt werden. Sie wird von den drei Sängerinnen des
Haugtussa Kollektivs musikalisch gestaltet - zusammen mit Angela Stummer-Stempkowski - Harfe, Karin Hageneder - Flöten, Konstanze Ihle - Percussion und Jens Wollenschläger/Sebastian Jakob - Klavier.
Im Juni 2022 ist das Internationale Haugtussa Kollektiv auf den Spuren von Garborg, Grieg und Haugtussa nach Norwegen gereist. Es wurde eine unvergessliche Reise, von einheimischen Expert:innen geführt, die bei uns Künstler:innen tiefe Spuren hinterlassen hat. Aus diesem tiefen Erlebnisbrunnen wird das Haugtussa Kollektiv Inspiration für die vielfältige Projekte der nahen Zukunft schöpfen.
In weiter Ferne…
Zusätzlich zu dem Liedzyklus Haugtussa, op. 67 von Edvard Grieg haben Martje Vande Ginste und Jens Wollenschläger für dieses Album, das in Kürze erscheinen wird, auch Syv Sanger, op. 6 von David Monrad Johansen aufgenommen. Ähnlich wie Haugtussa entführen Johansens Lieder den Zuhörer zurück in die Zeit, und zwar sogar weit zurück ins norwegische Mittelalter. Die Lieder bestechen durch ihr sowohl norwegisches als auch kosmopolitisches Kolorit, ihren Humor und ihre Lebensfreude, ihre Mystik und ihren großen Erkennungswert.
© Kristin Døvle,
Langt der ute…
Haugtussa Kollektiv
Das
Haugtussa Kollektiv ist in den letzten drei Jahren stetig gewachsen. Das Kollektiv vereint Künstler aus Deutschland, Belgien, Norwegen und Österreich; gemeinsam verfolgen sie das Ziel, mit der inspirierenden und berührenden Geschichte von Arne Garborg,
Haugtussa, fast 130 Jahre nach ihrer Entstehung, den deutschsprachigen Kulturraum zu bereichern.
Bereits 2003 wurde Martje Vande Ginste, mit ihrem damals 17 Monate alten Sohn Casper, im Rahmen ihres Forschungsprojektes für das Orpheus Institute for Musical Research (Gent, Belgien) von der Garborg-Expertin Inger Undheim nach Knudaheio eingeladen und durch Jæren geführt. Für eine längere Erkundung des unwegsamen, moorigen und nebligen Hochjæren war Casper damals zu klein. 19 Jahre später allerdings hat er die Reiseleitung der Recherchereise nach Jæren für die 16-köpfige Gruppe auf sich genommen. Auch Inger Undheim war wieder dabei, und führte uns nach Knudaheio und durch die einzigartige Landschaft von Hochjæren.
Little did we know...
Sommerregen, warmer Regen
tropft aus sanftem Schleier-Himmel,
besänftigt selig die sengende Luft,
befeuchtet lind den spröden Boden.
Tropft und rieselt gut und lange;
tränkt die Erde, sättigt den Frühling;
endet nach getaner Arbeit
mild und ruhig gegen Abend.
Und es öffnen sich und atmen
Blüte, Blatt und alles Leben,
Gras, Gestrüpp und frische Heide,
Gagelstrauch und welkes Dreiblatt.
Alles öffnet sich und atmet
und verströmt die warme Seele
weit in abertausend Düften,
tausend frischen, feinen Düften, –
die die Luft wie Balsam füllen.
Und ihr klarer Schleier hüllt sich
um die Erde, der gewebt ist
ganz aus Leben, Wärme, Liebe
wie der leichte Seidenschleier
um die runde, weiche Brautbrust.
Veslemøy treibt ihre Herde
still inmitten runder Hügel
nördlich um den schwarzen Bergsee.
Dessen Ufer sind umwuchert
dicht mit dunklem Moos und Flechten.
Wollgras wächst und Beerenwurzeln;
steil, gefährlich ist die Böschung,
denn da unten auf dem schwarzen,
tiefen, saugenden Morastgrund,
schläft ein langer, dicker Lindwurm.
Doch am Berg die Tiere grasen,
knabbern junge Heidetriebe;
Lämmchen tanzen rings im Kreise,
saugen Milch bei ihren Müttern.
Und der reine Sommerabend
legt sich sanft auf alle Matten,
und der helle warme Abend
alles hüllt in Dunst und Dämmrung –
bis das Strickzeug ihr entgleitet,
Veslemøy schweift selbstvergessen,
in gedankenlosem Denken,
schauend, träumend, ganz versunken;
sieht das Leben in der Landschaft,
sieht das Wache zwischen Steinen,
sieht auf wunderschönen Matten
eine Wunderherde grasen.
Sieht die blauberockte Huldre,
feinen Silberschmuck am Busen,
dort am Fuß des Hanges sitzen,
Salz für ihre Kühe streuen.
Sie erhebt sich, lockt die Tiere,
und ihr Haar umwallt die Schultern;
Sieh, die Herde kommt, umkreist sie,
und der Zug trabt Richtung Berge.
Kuh um Kuh und hintan trottet
groß der alte Bulle Dimmeld.
´S scheint wie eine Reihe Schatten
vor dem hellen Abendhimmel.
*
Ausgelöscht das Licht des Tages;
grau verblassen alle Wolken.
Die Welt liegt da in Traum und Klängen,
und ein Lied tönt in den Abend:
*
Lang genug warn ihr und ich
drin im dunklen Stalle;
zu der Alpe ziehn wir nun,
unterm Skareberge.
Kommt nur, kommt nur, Kühe mein!
Kühl ist es am Skare-Hang.
Kuh-Såta
Kuh-Såta
Grün wächst am Hang das Futter.
Kommt Kühe!
Kommt Tiere!
Kommt Dimmeld und Dros
und Randeliros
zur Nacht!
Unter Nordan-ås ist’s gut,
drin im Huldre-Garten.
Lang ist dort die bergende Nacht,
kurz die lichthellen Tage.
Und in den Bergen frisch und kalt
gibt’s Schutz vor Übel und Gewalt.
Wenn um Ås die Nebel steigen,
jeden Sonnenstrahl verjagen,
ziehen wir nach Belieben umher
und wir haben gute Tage.
Wolken und Nebel überm Hang, –
da ist der Huldre niemals bang.
Oft singt da zur kühlen Nacht
der Riese mir ein Ständchen,
verspricht mir seinen ganzen Berg,
wenn ich ihm reich mein Händchen.
Doch niemals froh ich werden kann,
mit diesem Riesen-Troll als Mann.
Die Huldre geht in Liebesschmerz,
muss in Sehnsucht brennen
für den Mann des hellen Tags,
den sie nie wird kennen.
Gerne gäb ich Seel und Leib,
um zu sein sein treues Weib.
Die Sonne steigt, die Sonne sinkt;
der Winter kommt und endet;
ohne Brautbett, ohne Freund
ziellos streift die Huldre.
Bitter brennt der Liebesschmerz,
kein heller Mann gewinnt ihr Herz.
Kuh- Såta!
Kuh- Såta!
Grün wächst am Hang das Futter.
Kommt Kühe!
Kommt Tiere!
Kommt, zieht mit mir
auf dem ziellosen Weg
zur Nacht!
aus: HAUGTUSSA von Arne Garborg
Übertragen von
Martje Vande Ginste und
Juliane Hollerbach